Weihnachten auf der Straße / von Oliver Neick

Weihnachten auf der Strasse

Mitspieler: Daniel, Frank, Weihnachtsmann und Polizist

Zwei Jugendliche, Daniel, Frank treffen sich

Frank: Was geht ab?

Daniel: (mit Recorder auf der Schulter) Alles was muss, Mann, und nicht zu wenig

F: Was treibste Dich denn heute Abend draußen rum. Kein Zuhause?

D: Bist doch selber unterwegs. Hamse Dich wieder rausgeschmissen?

F: Diesmal bin ich vorher gegangen. Und Du?

D: Also ich kann mir was schöneres vorstellen, als mit meiner Alten und meinen beiden Schwestern unterm Baum zu sitzen und Familie zu spielen.

F: Kann ich verstehen Mann. Mein Alter hatte schon wieder das dritte Bier eingeworfen. Nach dem vierten schreit meine Mutter ihn an und nach dem fünften haut er ihr eine runter.

D: Das ist echt scheiße Mann.

F: Ne, normal.

D: Kloppen sich Deine Alten öfter?

F: Kommt vor.

D: Warum trennen sie sich denn nicht? Meiner Mutter war es irgendwann zu blöd und sie ist mit uns abgehauen.

F: Frag meine Mutter, ich weiß es nicht.

D: Schon Scheiße, dass man sich seine Eltern nicht aussuchen kann.

F: Ist doch egal. Lass uns heute gemeinsam einen drauf machen.

D: Mal schauen was sich machen lässt, ohne Kohle auszugeben. Ist ja nicht viel los auf der Straße.

F: Kuck mal der Typ da vor

Spotwechsel

Weihnachtsmann tritt auf

W: Draußen vom Walde da komme ich her und ich muss , Euch sagen es weihnachtet sehr, hoho!

Er beginnt kleine Naschsachen unter den Kindern im Gottesdienst zu verteilen. Die Jungs kommen langsam näher.

F: Echt freigiebig der Opa.

D: Ob er für uns auch was übrig hat.

F: Ey Opa, schmeiß mal was von dem Zeug rüber. Die Kids werden eh nur fett davon.

Weihnachtsmann schaut hoch und runzelt die Stirn.

W: Gibt’s ein Problem Jungs?

F: Noch nicht, aber wer weiß?

W: Was wollt Ihr?

D: Auch ein Geschenk! Ist schließlich Weihnachten!

W: Vergesst es, die sind nicht für Euch.

F: Du irrst Dich Opa (reißt dem W. den Sack aus der Hand). Sie sind nur für uns

W versucht nach dem Sack zu greifen, F. und D. gehen ein paar Schritte weg

D: Schöne Weihnachten noch!

Beide lachen und laufen weg. W flucht und stapft hinterher.

Licht aus.

Pause

Licht an

Die beiden Jungs kommen von hinten durch die Kirche…

D: Ey mann, das war, ne coole Show. (gimmy five) Nen Weihnachtsmann beklauen (lacht)

F: Wie der gekuckt hat (ahmt verblüfften Gesichtsausdruck nach – beide lachen )

D: Warum hat er uns auch nicht einfach was abgegeben.

F: Ich hätte ihm den Sack wahrscheinlich trotzdem weggenommen. Wer weiß welche reichen Säcke ihn angeheuert haben, damit er ihnen heute Abend den Weihnachtsmann macht. Da wird’s heute halt ein bisschen leerer unterm Tannenbaum.

(kurze Pause)

D: Komm lass uns nachsehen was drin ist.

Kippen den Sack vorm Altar aus. Viele Süßigkeiten und kleine Pakete fallen heraus.

D: Lecker, so viel Süßkram gab’s bei uns nicht. Meine Mutter ist grad auf dem Gesundheitstrip. Ein Haufen Obst und Nüsse, aber kaum Schokolade. (macht eine Schokotafel auf und beginnt zu essen)

F: Ich werd von meinem Alten wahrscheinlich ne Flasche Berentzen bekommen und Mutter wird wieder heulend in der Ecke sitzen. (nimmt sich auch Schokolade)

(kleine Pause)

D: Steht echt beschissen bei Dir zu Hause!?

F: Ach scheiß drauf, wenn ich die Chance habe, ziehe ich aus. Dann können sie mich mal.

D: Dafür brauchste aber ersteinmal Kohle, nen Job.

F: Ich weiß.

D: Und jetzt darfst Du noch die 9te wiederholen.

F: Ist doch egal, verzögert’s sich eben ein bisschen.

D: Ich würde auch gerne zu Hause raus. Immer diese Weiberwirtschaft. Das geht mir ziemlich auf den Wecker. Wahrscheinlich sitzen sie jetzt alle zusammen und singen und Mutter fragt sich wieder wo ich mich rumtreibe.

F: Ist doch toll wenn es wenigstens auffällt, wenn Du fehlst. Meine Eltern sind so mit sich selbst beschäftigt, die merken gar nicht wenn ich weg bin.

D: Dafür nervt Dich wahrscheinlich auch niemand mit: „Wo warst Du gerade?“, „Komm nicht zu spät nach Hause!“ oder „Hilf doch mal mehr mit, wie Deine Schwestern!“

F: (leise, mehr zu sich selbst) Wäre vielleicht gar nicht so schlimm, wenn mal einer fragen würde.

D: Was hast Du gesagt?

F: Ach nicht so wichtig. Las uns mal ein Geschenk auspacken.

Wickeln ein Paket aus, heraus kommt eine Holzeisenbahn (o.ä.)

D: Was is’n das?

F: Sieht man doch, ne Eisenbahn.

D: So’n Schrott!

F: Wieso Schrott? So was habe ich auch mal bekommen.

D: Ach ja?

F: (schaut nachdenklich vor sich hin) Da war ich noch ziemlich klein und wir haben versucht so richtig Weihnachten zu feiern. Mein Vater hatte versucht wenigstens bis zur Bescherung nüchtern zu bleiben, und Mutter hatte sich ganz schick gemacht. Unter dem Tannenbaum lag ein Päckchen für mich und da drin so eine Eisenbahn. Ich hab dann sofort angefangen zu spielen, mein Vater hat sich sogar hingehockt und ein bisschen mitgespielt.

(kleine Pause)

D: Wollen wir noch ein Geschenk auspacken?

F: (dreht die Eisenbahn in seinen Händen) Mach doch.

D packt noch eins aus

D: Ey toll, CD’s. (schaut sie sich genauer an) Ach so nur Weihnachtsmusik. Wer ist denn so blöd und verschenkt Weihnachts-CD’s an Weihnachten? Soll man sich die dann Ostern anhören? Da tuen wir bestimmt jemandem einen Gefallen wenn er die nicht bekommt.

F: Leg sie doch rein. Wir feiern doch sowieso schon unser eigenes Weihnachten hier. Wenn die Musik Scheiße ist, kannste sie immer noch ausmachen.

D legt die CD rein, poppige bzw. rockige Weihnachtsmusik ertönt

D: Ist ja gar nicht so schlecht die Scheibe.

F: Läßt sich aushalten.

Licht verlischt

Weihnachtsmann tritt mit einem Polizist auf. Kommen langsam von hinten durch die Kirche.

P: Und die haben Ihnen einfach so den Sack entrissen?

W: Wenn ich es doch sage, das ging alles viel zu schnell. Ehe ich begreifen konnte was los ist, waren sie schon weg.

P: Und was war denn nun genau drin in dem Sack?

W: Natürlich Naschzeug, von dem ich auch immer etwas unterwegs verteile. Und die ganzen Geschenke für das Kinderheim in der Allende-Straße.

P: Das ist bitter. Haben sie dort schon bescheid gesagt?

W: Das habe ich mich noch nicht getraut. Ich hoffe ja, das wir beide die Jungs oder die Sachen noch wiederfinden. Die können doch mit den Geschenken gar nichts anfangen. Vielleicht haben sie den Sack ja einfach irgendwo stehen gelassen.

P: Da mache ich ihnen wenig Hoffnung. Die sind bestimmt schon über alle Berge oder sitzen zu Hause bei Mama und Papa unterm Tannenbaum und tun so als könnten sie kein Wässerchen trüben. Was die nicht gebrauchen können schmeißen sie weg, oder machen es kaputt. Wenn wir was finden, dann eventuell einen Sack mit ein paar kaputten Geschenken in irgendeinem Mülleimer. Können sie die Typen denn beschreiben?

W: Na ja, Durchschnittstypen halt, fielen eigentlich nicht weiter auf, typische Jugendliche. Der eine hatte einen Recorder auf der Schulter.

W bleibt stehen und schaut erstaut in die Richtung der beiden Jungs

W: Moment mal, ich glaube da vorne sind sie.

P: Dann sollten wir sie nicht aufschrecken.

Gehen beide langsam auf die Jugendlichen zu. Diese sehen sie gar nicht. F spielt mit der Eisenbahn und D spielt mit einem Feuerzeug.

P: Na was haben wir denn hier?

D und F erschrecken, versuchen aber gleich wieder cool zu wirken

F: Na Wachtmeister, bringen sie den Opa nach Hause? Hat wohl ganz schön einen gekippt der Alte, wa? (grinst provozierend)

D: Setzen sie sich doch. Wollen sie nen Schokoriegel?

P: Werdet mal nicht pampig. Verarschen kann ich mich alleine, da brauche ich Euch Flitzpiepen nicht. (dreht sich zu W) Sind das die Jungs?

W: Na klar, da ist ja auch der Sack mit den Geschenken.

P: (an die Jungs gewandt) Tja damit seid ihr wohl eindeutig überführt. Lust die Nacht hinter schwedischen Gardinen zu verbringen?

F: Wir sind da nicht wählerisch, wir nehmen auch französische oder griechische.

D: Was läuft denn heute im Knast, lecker Weihnachtsbuffet? Da hätte ich schon Bock drauf.

P: Das glaube ich kaum. Bis Ihr durch die Aufnahmeprozedur durch seid, ist die Party vorbei. Es ist die Frage was Eure Knastbrüder davon halten, wenn sie erfahren, dass ihr die Geschenke für ein Kinderheim geklaut habt. Bestimmt hat der eine oder andere von denen auch ein Kind im Heim.

D: (verunsichert) Für ein Kinderheim?

W: Ja genau, ich sollte schon vor einer halben Stunde da sein. Die Kids warten.

F: Das konnte ja keiner wissen. (Packte die Sachen wieder in den Sack) Es ist fast alles noch da. Sie können die Sachen ja wieder mitnehmen. (Legt mit leichtem zögern auch die Holzeisenbahn zurück und gibt dann den Sack dem Weihnachtsmann)

P: So einfach ist das aber nicht. Ihr habt Scheiße gebaut und müsst dafür gerade stehen.

D: Was wollen sie machen? Unsere Eltern informieren und ihnen das Weihnachtsfest versauen? Obwohl (grinst) da können sie meinen Vater anrufen.

F: Meinen Alten ist das eh scheißegal. Mein Alter scheuert mir eine und nach dem nächsten Bier hat er’s schon wieder vergessen.

P steht nachdenklich da. Dann flüstert P mit W. W reagiert zuerst abweisend, stimmt dann aber zu.

P: Okay, mein Angebot: der Weihnachtsmann hier sieht von einer Anzeige ab,..,

D+F: Alles klar (wollen gehen)!

P: Moment! Daran hängt eine Bedingung!

D: Und die wäre?

P: Das ihr mitgeht ins Kinderheim, die Geschenke verteilt und mit den Kindern den Abend verbringt.

F: Das können sie nicht machen. Ich muss doch nach Hause.

P: Eben hast Du nicht den Eindruck gemacht, als ob Dich dort jemand vermissen würde.

F senkt den Kopf. D schaut F an (kleine Pause)

D: Okay, akzeptiert. Aber nur dieser Abend.

W: Na glaubst Du ich mache das jede Woche?

Gehen alle langsam ab.

Musikstück

D und F treten auf. F hat wieder die Eisenbahn in der Hand

D: War gar nicht so ätzend wie ich erwatet hatte.

F: Ne, eher komisch.

D: Komisch?

F: Na ja, die Kids waren alle so, so, so, …nett.

D: Na Du hattest ja auch gleich deine Fans. Bist ja total aufgegangen in der Rolle des großen Bruders.

F: Ich habe mich auch irgendwie so gefühlt. Und das war toll. Ganz ohne coole Sprüche oder ähnliches war ich für sie trotzdem interessant. Was die alles wissen wollten.

D: Das ging mir auch so. Und als sie uns dann zum Abendbrotstisch gezogen haben und sich stritten wer neben uns sitzen darf.

F: War schon ein tolles Gefühl.

(kleine Pause)

D: Ich glaube die mochten uns wirklich.

F: Ja, und zwar so wie wir sind. Als sie nach dem Geschenke auspacken alle angefangen haben zu spielen, wollte jeder mit uns spielen.

D: War schon witzig, wie sie sich letztendlich alle um uns rum gesammelt haben.

F: Ich musste den Verkehr regeln, auf dem Spielteppich, als sie alle mit ihren Autos ankamen. Und ich kam mir nicht mal blöd dabei vor. D: Und ich habe an diversen Burgen mitgebaut. F: Und wie sie uns dann zum Schluss noch ihre selbstgebaute Höhle gezeigt haben, wäre ich am liebsten dort eingezogen.

D: ist schon krass, wie einem das durchgeht.

F: Als wir gegangen sind, hat mir der Weihnachtsmann noch die Eisenbahn in die Hände gedrückt. Er meinte sie wäre übrig geblieben, aber das kauf ich ihm nicht ab. (schaut nachdenklich auf die Eisenbahn in seinen Händen)

D: Mich hat der eine Junge beim losgehen gefragt, ob ich wiederkomme.

(kleine Pause)

F: Und, wirst Du?

D: Ich weiß nicht…

(kleine Pause)

D: Ich glaub schon.

F: Dann komm ich mit.

Gehen ab.