1. Szene: Studierzimmer der Könige
Kaspar: Ich sehe ihn den großen Stern! (Sieht durch sein Fernrohr.)
Balthasar: Zeig einmal! (Schiebt Kaspar beiseite.)
Melchior: Lass mich auch schauen! (Will auch durch das Fernrohr sehen.) Stimmt, er ist es!
Balthasar: Weißt du noch, was man von diesem großen Stern sagt?
Melchior: Hier: „Wenn in den Ländern des Mittelmeeres ein großer Stern aufgeht, der vorher niemals zu sehen war, dann wisset: Ein großer König ist für euch geboren worden.“ (Schlägt in einem großen Buch nach und ließt vor.)
Balthasar: In dieser Gegend muss es sein! (Entfällt eine Rolle mit dem Umriss der damals bekannten Welt und zeigt auf einen Punkt.)
Kaspar: Da können wir uns ja endlich auf den Weg machen. Wie lange haben wir schon darauf gewartet!
Balthasar: Gut – ich sorge dafür, dass Kamele gesattelt und Proviant für den Weg durch die Wüste bereitgestellt werden. (Will gehen.)
Melchior: Nur nicht so eilig! Habt ihr euch auch überlegt, was wir tun, wenn wir den großen König gefunden haben?
Kaspar: Das ist keine Schwierigkeit: Wir stellen uns vor und sagen, woher wir kommen und was wir auf unserem Weg alles erlebt haben.
Melchior: Natürlich – aber ich meine, so mit leeren Händen kann man bei einem König nicht auftreten. Wir sollten doch auch Geschenke anbieten können.
Balthasar: Ja, da hast du recht. Aber was könnte das sein?
(Alle studieren einen Augenblick!)
Kaspar: Vielleicht ein junges Kamel, auf dem der König reiten kann, wenn er groß ist?
Balthasar: Oder einen schönen Teppich aus Schafwolle? Neulich sah ich im Basar einen wunderschönen, ganz neu aus Persien eingetroffen.
Melchior: Oder ein Königsgewand, wie man es bei uns trägt, eines mit so wunderbaren Stickereien. (Holt ein Gewand herbei.) Vielleicht das?
Balthasar: Ja, genau das! Das würde gehen. Und dazu noch einen Beutel Golddukaten, damit der König sieht, dass wir nicht knauserig sind. (Holt einen Beutel voll Geld.)
Melchior: Also, treffen wir die letzten Vorbereitungen! Morgen früh um halb sechs Uhr wollen wir losmarschieren.
Kaspar: Sieht man den Stern noch? (Schaut durchs Fernrohr.) Noch schöner als vorher!
(Alle Könige verlassen das Zimmer.)
2. Szene: Hirtenfeld mit Feuer
1. Hirte: Ist das eine helle Nacht heute! (Schaut zum Himmel hinauf.)
2. Hirte: Und wie die Sterne alle leuchten!
3. Hirte: Eine solch sternklare Nacht habe ich noch nie gesehen!
2. Hirte: Mit ist ganz eigenartig zu mute! Es ist, wie wenn ich eine große Freude in mir hätte und doch nicht weiß; worüber ich mich freuen soll.
1. Hirte: Von Generation zu Generation berichten unsere Alten, in einer hellen Nacht wie heute werde ein großes Licht auf die Erde kommen. Wer weiß, vielleicht haben sie recht und es geschieht noch heute abend etwas.
3. Hirte: Ich habe angst, es ist so still, selbst die Schafe verhalten sich seltsam ruhig, als würden sie etwas Besonderes erwarten.
(Ein Engel tritt auf in strahlendem Licht; die Hirten weichen zurück und schauen geblendet zur Seite.)
Engel: Fürchtet euch nicht! (Breitet die Arme aus; die Hirten wenden sich langsam zu ihm.) Ich bringe euch eine gute Nachricht.
2. Hirte: Wer bist du?
Engel: Ich bin ein Engel von Gott gesandt. Euch und allen Menschen soll ich verkünden, dass in dieser Nacht Großes und Einmaliges geschehen ist.
1. Hirte: Fühlte ich es doch, dass diese Nacht nicht so ist, wie jede andere Nacht. Auf dieser Nacht liegt ein Glanz, wie ich ihn noch nie erlebet habe.
3. Hirte: Was ist denn geschehen?
Engel: Also hört gut zu: In Bethlehem ist heute für euch und für alle Menschen der Heiland geboren, der Retter der Welt! Ihr könnt ihn in einem Stall finden, dort liegt er in einer armseligen Krippe in Winden gewickelt.
(Während der Engel langsam nach rückwärts verschwindet, hört man leise Engelmusik. Die Hirten sprechen leise miteinander.)
2. Hirte: Auf, gehen wir! Ich will doch sehen, ob es stimmt, was wir soeben vernommen haben.
3. Hirte: Einverstanden; ich komme auch gleich mit!
1. Hirte: Aber, wer hütet die Schafe?
2. Hirte: Wenn Gott uns einen Engel schickt und uns aufträgt, nach Bethlehem zu gehen, dann wird er schon selbst auf die Schafe aufpassen.
1. Hirte: Sollten wir nicht etwas mitnehmen? Vielleicht hat er Hunger. Oder es ist kalt in der Höhle.
2. Hirte: Gut. Wir haben ja gestern Käse zubereitet, davon können wir ihm ein großes Stück mitnehmen. (Bringt einen ganzen Käse.)
1. Hirte: Milch haben sie sicher auch keine. Diese armen Leute besitzen kaum ein Tier. (Holt eine Kanne mit Milch.)
3. Hirte: Ich nehme mein großes Halstuch mit, damit das Kind im Stall nicht frieren muss. (Breitet sein Halstuch aus und legt es bedächtig wieder zusammen.)
3. Szene: Auf freiem Feld
(3 Soldaten humpeln herbei. Der erste hat ein Bein verbunden und geht an einer Krücke. Der zweite hat den Kopf verbunden, der dritte trägt einen Arm in der Schlinge.)
1. Soldat: Ich kann fast nicht mehr. Ist es noch weit bis zur Grenze?
2. Soldat: Noch durch zwei Dörfer, dann sind wir so weit. Wenn uns nur vorher niemand einholt. (Sieht auf der Karte nach.)
3. Soldat: Und was erwartet uns hinter der Grenze? Doch nur wieder Krieg. Wo man hinkommt – alle Menschen bekämpfen sich gegenseitig.
2. Soldat: Los, Kameraden, nicht aufgeben! Einmal muss das Elend ein Ende haben.
3. Soldat: Da kommt jemand! (Zeigt nach vorne.)
1. Soldat: Rasch, verstecken wir uns!
3. Soldat: Das sind Fremde, die tun uns nichts.
(Die drei Könige kommen.)
Balthasar: Wir haben den Stern aus den Augen verloren. Wisst ihr vielleicht den rechten Weg?
2. Soldat: Welchen Weg? Wo wir herkommen und wo wir hingehen – überall ist Krieg.
Melchior: Habt ihr den großen Stern nicht gesehen? Und wisst ihr nicht, dass dort, wo er stehen bleibt, ein großer König geboren wird?
3. Soldat: Den Stern? Ja, den haben wir gesehen! Gleich hinter dieser Wegkreuzung ist er wieder zu erblicken. Aber lieber als ein König wäre uns eine Deck zum Schlafen und eine Mantel zum Wärmen.
Kaspar: Wie seht ihr den aus? Ihr seid ja ganz erfroren. (Sieht sich die Soldaten jetzt erst richtig an.)
2. Soldat: Wir sind Soldaten. Wir kommen von der Schlacht. Wir sind die einzigen, die am Leben blieben und flüchten konnten.
1. Soldat: Wir möchten so schnell wie möglich über die Grenze. Aber in dieser Nacht wird das kam mehr möglich sein.
Kaspar: Kommt, lieber Königsfreunde, wir wollen unseren Königsmantel diesen Soldaten schenken. Wir dürfen sie in dieser grimmigen Kälte nicht erfrieren lassen.
Balthasar: Und was wird der König sagen, den wir mit dem Mantel beschenken wollten?
Kaspar: Der hat sicher Königsmäntel, so viele er will! Diese Männer brauchen jetzt dringend Schutz vor der Kälte.
Melchior: Dann wollen wir ihnen auch unser Geld geben. So werden sie hier der Grenze wenigstens gut aufgenommen. Schade, dass wir nicht anderes bei uns haben.
(Die Geschenke werden den Soldaten gegeben.)
2. Soldat: Wir danken vielmals für eure gute Tat. Wir wollen weiterziehen; denn sicher sind wir erst, wenn wir die Grenze überschritten haben.
(Die Soldaten ziehen mit den Geschenken ab und die Könige sehen ihnen versonnen nach.)
Balthasar: Eigentlich ist es verrückt, was wir da getan haben.
Melchior: Meine Güte! Ich konnte nicht anders, als ihnen unseren Königsmantel zu geben.
Kaspar: Mir ging es genau so!
Balthasar: So müssen wir jetzt halt mit leeren Händen vor den König treten – wir, die reichen Könige aus dem Morgenland.
(Sie ziehen schweigend über das Feld während leise Musik im Hintergrund ertönt.)
4. Szene: Im Wald oder auf freiem Feld
(Die Hirten kommen.)
2. Hirte: Es ist nicht mehr weit bis Bethlehem. Dort wird uns sicher jemand den Weg zum Stall zeigen.
1. Hirte: Ich habe das Gefühl, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Meine Beine laufen fas wie von selbst.
3. Hirte: Da kommen Leute, die wollen wir fragen. (Die Flüchtlinge kommen. In einen kleinen Gepäck führen sie ihre Habe mit.)
1. Hirte: Kommt ihr von Bethlehem? Habt ihr dort etwas Besonderes gesehen?
2. Hirte: Einen Heiland und Retter, der in einem Stall zur Welt gekommen ist?
Vater: Überall gibt es Flüchtlinge, wie uns, die auf freiem Feld und in den Ställen und Höhlen die Nacht verbringen. Da ist nichts Besonderes dabei.
Kind: Vater, frage doch diese Leute, ob sie nicht etwas zu essen haben. Ich bin so hungrig.
Mutter: Sei still, wir betteln doch nicht.
3. Hirte: Du hast nicht nur Hunger, dir ist auch kalt. (Er nimmt sein Tuch und gibt es dem Kind.) Jetzt wird es dir wärmer!
2. Hirte: Da, den Laib Käse, nehmt ihr ihn mit. Wer weiß, ob wir den Stall mit dem neugeborenen Heiland finden werden!
1. Hirte: Dann nehmt aber auch die Milch. Sie ist ganz frisch. Und jetzt lebt wohl. Wir gehen weiter auf die Suche nach dem Heiland und Reter.
(Beide Gruppen trennen sich.)
5. Szene: Weggabelung mit Wegweiser „Jerusalem“
(Die Hirten kommen.)
3. Hirte: Noch eine halbe Stunde, dann sind wir in Bethlehem.
2. Hirte: Warum haben wir eigentlich diesen wildfremden Leuten alle unsere Geschenke gegeben? Wir wollten sie dem Kind in der Krippe bringen.
1. Hirte: Ich weiß nicht warum. Ich konnte einfach nicht anders.
2. Hirte: Das komische daran ist, mich reut das Verschenken unserer Sachen gar nicht. Mir ist, als hätten wir die Geschenke schon in den Stall und vor die Krippe gebracht.
1. Hirte: Mir geht es auch so. Ich spüre eine große Freude. – Wie gut ist es, dass wir diesen Leuten helfen konnten.
3. Hirte: Aber was bringen wir dem Heiland und Retter?
(Die beiden anderen Hirten zucken mit der Schulter. Die Könige kommen.)
3. Hirte: Schaut, da kommen aber ganz vornehme Leute!
Hirten: Schalohm! (Die Hirten verneigen sich.)
Könige: Salemaleikum!
1. Hirte: Eurer Sprache nach seid ihr Fremdlinge in dieser Gegend.
Kaspar: Wir folgen dem Stern! (Er zeigt nach oben.) Der Stern wird uns dorthin führen, wo ein großer König zur Welt gekommen ist.
2. Hirte: Der Stern weißt ja genau nach Bethlehem; dorthin sind auch wir unterwegs. In einem Stall soll dort heute der Retter der Welt geboren worden sein.
Melchior: Dann haben wir offenbar alle das gleiche Ziel. Lasst uns als den Palast von Bethlehem suchen.
1. Hirte: Meine Herren! (Er lacht dabei.) Bethlehem ist ein ganz unbedeutendes Nest. Nur arme Hirten und Handwerker wohnen dort. Ganz sicher ist es ein Stall, zu welchem der Stern euch und der Engel uns hinführen.
3. Hirte: Ihr habt sicher große Geschenke für das Königskind mitgebracht, wenn ihr so weit herkommt und so vornehme Leute seid.
(Die Könige schauen einander verlegen an.)
Balthasar: Das ist eben das Dumme. Wir haben unterwegs alles an drei verletzte Soldaten verschenkt. Jetzt haben wir nichts, rein gar nichts, das was wir bringen könnten.
(Die Hirten schauen sich vielsagend an.)
Kaspar: Aber eigentlich haben wir doch nicht das Gefühl, als hätten wir alles falsch gemacht. Nicht einmal das Empfinden, unsere Hände seien leer.
2. Hirte: Es gibt halt Dinge, die gibt es gar nicht. Uns ist es nämlich auch so ergangen. Eine arme Flüchtlingsfamilie hat alles von uns bekommen, was eigentlich für das Kind in der Krippe bestimmt war, und auch wir haben durchaus nicht das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Auch uns kommt es vor, als würden wir noch immer vollbepackt mit Geschenken nach Bethlehem ziehen.
Melchior: Dann lasst uns doch alle miteinander das letzte Wegstück nach Bethlehem zurücklegen.
Balthasar: Euer Engel und unser Stern – sie werden uns gewiss an die richtige Stelle führen
(Alle ziehen in Richtung Bethlehem von der Bühne.)
6. Szene: In dem Stall
(Josef zündet ein Licht an, Maria beugt sich über das Kind in der Krippe.)
Josef: So, das Licht brennt. Hoffentlich bläst der Wind es uns nicht wieder aus.
Maria: Ich glaube, das Licht wird überhaupt nie mehr aus gehen. Ich habe so eine Ahnung. – Ich glaube, wir sind nicht mehr lange allein.
Josef: Wer soll sich schon in dieser Nacht zu uns verirren (Schaut hinaus.)
Maria: Schau doch, der Stern da oben. Er ist unser Stern, unser Licht. Der leuchtet für Jesus. (Geht auch zum Eingang.)
(Die Hirten und Könige kommen.)
2. Hirte: Ich hab es gefunden, wir sind da! (Er läuft den anderen voraus zum Stall.)
Maria: Hab ich es dir nicht gesagt. (Spricht zum Josef.)
1. Hirte: Kaspar, Melchior und Balthasar, drei Gelehrte aus dem Morgenland, und wir, drei Schafhirten. Ein Stern halt die Könige und eine Engel hat uns hierher geführt. (Stellt sich und die anderen vor.)
Josef: Bitte, dann kommt alle herein.
(Alle betreten den Stall.)
Balthasar: Da ist es warm und hell!
Kaspar: Ein wunderbares Licht geht von dem Kind aus!
Melchior: Nur – unsere Hände sind leer. Alles was wir als Geschenk mitbringen wollten, blieb unterwegs bei den verwundeten Soldaten. (Spricht verlegen.)
2. Hirte: Und wir haben unsere Geschenke der Flüchtlingsfamilie gegeben.
1. Hirte: Es tun uns leid – und eigentlich reut es und doch nicht.
Josef: So ist dieser Mantel als euer Geschenk. (Er holt den Königsmantel hervor und zeigt ihn den Königen, bevor er das Kind damit zdeckt.)
Balthasar: Wie kommt der den hier her?
Josef: Und das, nehme ich an, ist von euch, ihr Hirten? (Er holt Käse und Milch hervor uns stellt beides vor die Krippe.)
2. Hirte: Ein Wunder!
3. Hirte: Und mein Tuch ist auch da (Entdeckt das Tuch und breite es über der Krippe aus.)
Josef: Und das da – ist wohl auch von euch? (Er hält den Goldbeutel in die Höhe.)
Kaspar: Da soll jetzt drauskommen wer will! Ich verstehe gar nichts mehr!
1. Hirte: Aber mir geht jetzt auf, warum ich überhaupt nicht das Gefühl hatte, dass ich mit leeren Händen zum Kind sei.
2. Hirte: Und ich weiß genau, warum es mir so leicht fiel, alles einfach wegzugeben.
(Der Engel kommt zur Krippe und die Hirten und Könige weichen ein wenig zur Seiten.)
Engel: Keine Angst, ihr Hirten vom Felde und ihr, Gelehrten aus dem Morgenland, ihr habt ganz richtig gehandelt. Wer immer einem anderen in der Not hilft. Der hat dem Kind in der Krippe geholfen, im ganz persönlich. Und wer einem, der zum Leben zu wenig hat, etwas schenkt, der ha es dem Heiland geschenkt, der hat sein Geschenk in die Krippe gelegt. Darum freut euch ihr Könige und Hirten. Ihr seid nicht mit leeren Händen zur Krippe gekommen.