Gersdorfer Krippenspiel
Personen: Vater, Mutter, Paul, Esel, Maria, Josef, 2 Hirten, 3 Könige
Esel:
Guten Tag! Oder hätte ich lieber „I-A“ sagen sollen ? Ich bin nämlich ein Esel. Finden Sie das lustig? Dabei bin ich ein ganz besonderer Esel, ein Weihnachtsesel sozusagen. So einer, wie er damals im Stall zu Bethlehem stand, vielleicht, und der den Herrn der Welt anbetete, lange vor den Hirten und Weisen. Heute bin ich Paulchens Esel. Paulchen ist mein kleiner Freund. Das ist Paulchen. Und Paulchen müßte eigentlich schon längst zu Hause sein.
Paul:
Ach, weißt du, ich habe noch gar keine Lust, nach Hause zu gehen. Was soll ich denn dort?
Esel:
Aber Paulchen, heut ist doch Weihnachten!
Paul:
Na und? Meinst du, das ist was schönes? Klar, die Geschenke sind nicht schlecht. Aber sonst? Der Vater guckt in den Fernseher wie jeden Abend, Mutter rennt aufgeregt hin und her und täte gern ein Weihnachtslied singen, aber sie traut sich nicht, weil sie von Vater dann ausgelacht wird. Der glaubt nämlich nicht an so was. Und morgen kommt auch noch Tante Emma, zu der man freundlich sein muß, auch wenn man sie nicht leiden kann. Was ich gern möchte, das kümmert keinen.
Esel:
Aber Paulchen, du übertreibst. Bestimmt wird es heute Abend schön. Heute ist doch Weihnachten. – Nun geh schon, sonst gibt es noch Ärger.
Paul:
Na gut, wenn du meinst.
(Fernseher anschalten)
Vater:
Wo bleibt denn der Paul? Sicher steckt er wieder bei seinem Esel. Hätten wir ihm bloß das Grauvieh nicht geschenkt.
Mutter:
Nun schmipfe doch nicht gleich, Vater. Heute ist doch Weihnachten. Sicher wird er gleich kommen und dann wollen wir einen recht gemütlichen Abend feiern.
Vater:
Ach, er ist ein undankbares Kind. Wir tun wirklich alles für ihn. Denk doch nur was die Geschenke wieder gekostet haben, der Weihnachtsbraten; und er hält es einfach nicht für nötig pünktlich nach Hause zu kommen.
Mutter:
Hast ja recht, Vater. Aber die Kinder sind heutzutage so. Wir früher…
Vater:
Na da bist du ja endlich! Wo warst du denn so lange?
Paul:
Ich habe gespielt.
Vater:
Und dabei vergessen, daß heute Weihnachten ist.
Paul:
Es war so schön.
Vater:
Zu Weihnachten ist es zu Hause am schönsten. Setz dich dahin, wir wollen den Film zu Ende sehen.
Paul:
Und wann…?
Vater:
Sei jetzt still. (Fernsehpause)
Paul:
Darf ich jetzt…?
Mutter:
Sei doch jetzt still, Paulchen. Mußt doch Vati nicht stören, heute zu Weihnachten. (Paulchen schleicht hinaus)
Paul:
Na, wie ich dir’s gesagt habe. Vater guckt fern, Mutter ist nervös, und ich muß still sein. Da geh ich doch lieber spielen.
Esel:
Aber Paulchen, das kannst du jetzt nicht.
Paul:
Wieso denn nicht?
Esel:
Weil heute ein besonderer Tag ist.
Paul:
Ich finde nichts besonderes daran.
Esel:
Aber alle Leute finden, daß heute ein besonderer Tag ist.
Paul:
Wieso eigentlich? Nur weil es Geschenke gibt und weil man nicht arbeiten muß?
Esel:
Das auch.
Paul:
Und was noch?
Esel:
Na, weißt du das denn nicht? Weihnachten ist ein ganz frohes Fest. Da gehen alle Leute in die Kirche und dort…
Paul:
Aber mein Vater geht nie in die Kirche. Und Mutter nur ganz, ganz selten. Und die Nachbarn, die neben uns, die gehen auch nicht. Wieso feiern die denn da Weihnachten?
Esel:
Das wiederum kann ein Esel nicht wissen. Vielleicht fragst du mal deine Eltern.
Paul:
Werde ich machen.
Paul:
Vati?!
Vater:
Ja?
Paul:
Vati, was ist das eigentlich für ein Fest, das Weihnachtsfest?
Vater:
Weihnachten, ja, das ist, also Weihnachten, das ist das Fest der Liebe, da machen die Menschen einander Freude. Und das könntest du dir ruhig merken und deinen Eltern ein bisschen mehr Freude machen!
Paul:
Hm. Und, Vati, was hat das mit der Kirche zu tun?
Vater:
Mit der Kirche? Ja weißt du, daß war früher so. Da gingen die Leute eben immer in die Kirche und natürlich auch zu Weihnachten und da gibt’s so alte Geschichten und so.
Paul:
Alte Geschichten. Erzähl doch mal!
Vater:
Das weiß ich doch nicht. Für mich ist Weihnachten ein Fest der Liebe und des Friedens. Da will ich dir mal was erzählen. Als wir im Krieg waren, im Schützengraben, ganz vorn, da haben wir zu Weihnachten Kerzen auf den Schützengraben gestellt – ganz oben hin. Und die auf der anderen Seite haben das auch gemacht. Und keiner hat geschossen, die nicht und wir auch nicht. Da siehst du was Weihnachten ist, Frieden!
Paul:
Da hat kein einziger mehr geschossen?
Vater:
Kein einziger.
Paul:
Und nach Weihnachten?
Vater:
Naja, da haben wir wieder geschossen. Da haben wir wieder Dunst gegeben.
Paul:
Ha, aber Vati, da hatte das doch gar keinen Sinn, wenn sie hinterher genauso geschossen haben wie vorher.
Vater:
Aber es war doch Krieg?! Überhaupt, was soll deine dumme Fragerei! Kann man denn nicht mal zu Weihnachten seine Ruhe und seinen Frieden haben?
Paul:
Jaja, Frieden, so wie damals im Schützengraben, für zwei Tage.
Vater:
Raus jetzt oder… (Paul ab)
Mutter:
O Gott! Könnt ihr denn nicht mal an Weihnachten Frieden halten?
Vater:
Da siehst du es wieder. Deine Erziehung. Viel zu gut bist du. Läßt alles bei ihm durchgehen. Und das kommt dabei heraus.
Esel:
Na weißt du jetzt was Weihnachten für ein Fest ist?
Paul:
Vater hat gesagt, Weihnachten sei das Fest der Liebe und des Friedens.
Esel:
Und?
Paul:
Und dann hätte ich beinahe eine geklebt gekriegt.
Esel:
Warum denn das?
Paul:
Weil ich gelacht habe, als Vater vom Krieg erzählt hat, daß sie zu weihnachten nicht geschossen haben und dann war doch wieder alles so wie vorher. Und dann habe ich gefragt, ob das mit der Liebe und dem Frieden in der Familie auch so ist wie im Schützengraben, Frieden und Liebe für zwei Tage. Nun sag du, was ist Weihnachten denn nun wirklich für ein Fest?
Esel:
Ein bißchen hat dein Vater schon recht. Weihnachten ist das Fest der Liebe und des Friedens – aber nicht so das dann alles beim Alten bleibt, sondern so, daß alles neu werden soll.
Paul:
Das versteh ich nicht.
Esel:
Wie solltest du auch. Komm und setz dich hin. Ich erzähl dir eine Geschichte, wo alles anfing, neu zu werden. Ich erzähl dir die Geschichte von Jesus.
(Maria und Joseph treten auf)
Paul:
Wer sind denn diese Leute da?
Esel:
Das sind die Eltern – die Eltern von Jesuss. Der Mann, Joseph, ein armer Handwerker aus Nazareth. Und daneben ist Maria. Sie ist noch jung und erwartet ihr erstes Kind. In wenigen Stunden wird es soweit sein.
Paul:
Aber warum läuft sie denn noch draußen herum?
Esel:
Sie mußten von zu Hause fort. Der römische Kaiser hatte ein Gesetz erlassen, daß alle Menschen gezählt werden sollten. Wegen der Steuern, verstehst du? Dazu mußte ein jeder dahin gehen, wo seine Familie hergekommen war.
Paul:
Und wohin gehen die zwei jetzt?
Esel:
Nach Bethlehem. Das war ein weiter Weg und für eine Frau, die ein Kind erwartet eine Quälerei. Aber das schwierigste war, eine Unterkunft zu finden. Alles war überfüllt wegen der Volkszählung. Und wer da kein Geld oder Freunde hatte…?
Maria:
Ich kann nicht mehr weiter, Joseph.
Joseph:
Es muß gehen, wir können doch nicht hier bleiben. Es will uns doch niemand aufnehmen. Komm und versuch es nochmal! Hallo guter Mann?!
Paul:
Aber das ist ja mein Vater!
Esel:
Pssst.
Joseph:
Hätten sie nicht ein Zimmer frei für uns? Meine Frau? Sie sehen ja selbst – jeden Augenblick kann das Kind kommen.
Vater:
Ein Zimmer? So, ein Zimmer suchen sie?
Joseph:
Aber wir haben kein Geld. Die Reise hat unser letztes Geld verschlungen.
Vater:
So ist das. Geld haben sie keins, aber ein Zimmer wollen sie. Sie machen mir Spaß. Und da kommen sie zu mir? Bin ich vielleicht das Wohlfahrtsamt oder der barmherzige Samariter? Nichts da, seht zu das ihr weiterkommt.
(Paulchen springt auf)
Paul:
Aber Vati, denk doch daran: Es ist doch Weihnachten, das Fest der Liebe und des Friedens.
Vater:
Du sei still! Hast selber noch keinen Pfennig verdient, aber für andere Leute betteln, das kannst du. Kostest selber einen Haufen Geld. Meinst du ich verdiene das Geld im Schlaf? Jeder muß sehen, wo er bleibt.
Maria:
Was sollen wir jetzt tun?
Paul:
Ich weiß einen Stall. Da ist es warm. Ich habe einen Esel dort untergebracht. Das Stroh ist ganz frisch und ein paar Decken kann ich auch besorgen.
Joseph:
Vielen Dank, du bist ein guter Junge. Gott segne dich!
Paul:
Ich habe ihnen deinen Stall gegeben.
Esel:
Das ist gut so. Und für die beiden ist es besser als nichts. Ich glaube, du verstehst schon sehr viel von dem, was Weihnachten ist.
Paul:
Und wie geht die Geschichte weiter?
Esel:
Das Kind wird geboren, ein König!
Paul:
Ein König in einem Stall! Das ist doch ein Armeleutekind!
Esel:
Hast Recht. Das war kein Schloß, da gab es keine Diener, kein weiches Bett. Da war nur Armut. Ein Stall, ein bißchen Stroh, eine Krippe, ein Ochse und ein Esel.
1.Hirte:
Guten Abend!
Joseph:
Guten Abend!
1.Hirte:
Darf ich reinkommen?
Joseph:
Warum nicht, die Tür ist offen. – Ihr habt wohl auch kein Quatier gefunden. Ja es ist schon schwer für unsereinen. Überall Geiz und Neid und Mißgunst. Aber wenn wir hier zusammenrücken ist auch noch für euch Platz.
2.Hirte:
Wir brauchen kein Quartier. Wir sind Hirten aus dieser Gegend und haben unsere Hütten draußen vor der Stadt.
Joseph:
Und was sucht ihr hier? Warum seid ihr nicht draußen bei euren Herden?
1.Hirte:
Wir suchen ein Kind. Das Kind. Den Herrn und Heiland, den König Gottes, der aller Welt zur Freude heute geboren ist.
Joseph:
Da seid ihr hier falsch. Ein Kind, ja auch heute geboren. Aber habt ihr je einen König, einen Herrn so arm gesehen, auf Heu und auf Stroh in einer Krippe liegend?
2.Hirte:
Wir verstehen es auch nicht. Aber die Botschaft Gottes hat uns hierher geführt. Und Gott lügt nicht. Dies Kind ist der Heiland, der Christus, der Herr in der Stadt Davids.
Joseph:
Ihr irrt. Das ist mein Kind. Das Kind armer Leute. – Hab auch schon manchmal geglaubt, aus dem Kind der Maria würde was Besonderes. Aber schaut euch doch um! Hier ist nichts von einem Herrn, von einem König. Geht nach Jerusalem und fragt bei Herodes.
1.Hirte:
Wir suchen keinen König wie Herodes. Wir suchen einen, der anders ist. Wir suchen den, der den Menschen zur Freude und zum Heil von Gott selbst kommen soll…
Joseph:
Ich weiß, ihr denkt an die alten Geschichten aus der Bibel. Ihr sucht den, der unser Volk erlösen und befreien soll, den Sohn Davids. Manchmal denk ich auch noch dran. Der Sohn Davids, das könnt der schon sein. Aber davon gibt es viele. Was soll aus unserem schon werden, aus dem Armeleutekind?
2.Hirte:
Wir wissen so wenig wie du. Wir sind nur der Stimme gefolgt, die uns zu diesem Kind geführt hat. Vielleicht soll man den Herrn und Heiland nicht an Äußeren Dingen erkennen, man sieht ihn wohl nur, wenn man fest an ihn glaubt.
Maria:
Siehe, du wirst einen Sohn gebären, des Namen sollst du Jesus heißen. Der wird groß sein und ein Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird ein König sein über das Haus Jakob ewiglich, und seines Reiches wird kein Ende sein.
Joseph:
Maria, was ist mit dir?
Maria:
Ach nichts, ich erinnere mich nur an die Worte, die ich irgendwann gehört habe.
1.Hirte:
Ja, wir müssen dann wohl wieder gehen. Die Herde ist ohne Aufsicht. Aber wir sind sehr froh, daß wir hier waren. Wir glauben, daß wir unseren Herrn und Heiland gesehen haben.
2.Hirte:
Ein paar Kleinigkeiten haben wir mitgebracht. Leute, wie ihr können es vielleicht gebrauchen. Besseres haben wir auch nicht. Lebt wohl. – Du Nachbar, vielleicht ist es doch der König, auf den wir warten? Ich glaube ganz fest daran. Der König der nicht Hass bringt, sondern Liebe, der nicht Krieg macht, sondern Frieden, der nicht nimmt, sondern gibt. Ein König für uns.
Vater:
Nun schau dir nur an, was dahinten in dem alten Stall wieder los ist. Was da für ein hergelaufendes Gesindel herumsteht. Die Polizei müßte eingreifen.
Mutter:
Nun ärgere dich doch nicht, Vater. Ist doch Weihnachten. Komm laß uns in Ruhe fernsehen.
1.König:
Gott mit Euch!
Joseph:
Gott mit Euch!
1.König:
Steht auf, guter Mann. Warum erschreckt ihr?
Joseph:
Wie könnte ich? Ihr seid große Herren.
1.König:
An uns ist es niederzuknien! Demütig uns zu neigen vor dem, der größer ist als wir.
Joseph:
Aber… das ist nicht recht. Hohe Herrn, ihr erniedrigt euch.
2.König:
Nur wer sich vor ihm erniedrigt, der kann erhöht werden.
Joseph:
Ich verstehe euch nicht.
3.König:
Wir sind von sehr weit hergekommen um dieses Kindes willen.
Joseph:
Was wollt ihr von unserem Kind, was wollt ihr von meinem Sohn?
3.König:
Das ist nicht nur dein Sohn. Das ist auch Gottes Sohn.
Joseph:
Ihr Herren, versündigt euch nicht. Wie soll das Gottes Sohn sein, so arm, so klein, so hilflos?
2.König:
Wer ist Gottes Ratgeber gewesen und wer hat des Herrn Sinn erkannt? Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen anzubeten den, der die Welt verändern wird.
Joseph:
Die Welt verändern? Wie denn? Hat er Geld? Wo steht seine Armee? Ist es eines Generals Kind, eines Königs Sohn?
3.König:
Es ist Gottes Sohn.
1.König:
Wer ist ein General, was ist ein König? Vergänglich sind sie und ihr Ruhm ist vergänglich. Ihre Macht steht auf den Tränen der Menschen, in ihrem Gefolge gehen Elend und Tod. Wer auf Armeen baut, baut auf den Tod.
2.König:
Was ist eine Armee und wozu taugt sie? Sie kann Städte und Dörfer anbrennen, Länder erobern und Länder verlieren. Wo sie hinkommt, verbreitet sie Schrecken, Elend und Tod. Wer Könige anbetet, betet den Tod an.
3.König:
Was ist Geld und Reichtum, mit Unrecht erworben und in Unrecht ausgegeben? Was kann es ausrichten? Kann man das Glück des Lebens kaufen für einen hohen Preis? Den Frieden des Herzens? Kann man das Leben kaufen? Wer seine Hoffnung auf Geld setzt, setzt auf den Tod.
1.König:
Wir sind Könige und haben die Macht. Wir haben eine Armee und haben Geld. Doch alles, was wir haben, ist der Tod. Nun sind wir gekommen, den König des Lebens zu suchen, den König der neuen Welt.
Maria:
Siehe, du wirst einen Sohn gebären, des Namen sollst du Jesus heißen. Der wird groß sein und ein Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird ein König sein über das Haus Jakob ewiglich, und seines Reiches wird kein Ende sein.
Joseph:
Du, mein Kind, König des Lebens? König der neuen Welt? Du Gottes Sohn? Herr, mein Gott, ich will es glauben. Hilf du mir gegen meinen Unglauben.
Paul:
Du Eselchen, ist denn das auch alles wahr geworden? Ist aus diesem Kind ein König geworden?
Esel:
Ja.
Paul:
Aber wo wohnt er? Wie regiert er?
Esel:
Er wohnt in den Herzen der Gläubigen. Er regiert mit seinem Wort über ihre Gedanken und über ihre Taten.
Paul:
Auch über meine Gedanken? Über das, was ich mache? Eselchen, ob ich wohl auch diesen König anbeten darf?
Vater:
Paulchen, Paul! Jetzt wird es aber höchste Zeit. Komm nach Hause. Wir wollen endlich Weihnachten feiern.
Paul:
Aber Vati! Hier ist doch Weihnachten.