Sag wo liegt Bethlehem? / von Claudia Werner

Sag wo liegt Bethlehem?

Personen: Sprecher, Bruder, Tochter, Mutter, Vater, Freundin der Tochter, Mann, älterer Mann, Dicke Person, Eitle Frau, Besser-Wessi;

Zu Hause
(Tochter kommt aus der Schule)

Tochter:
Ach ist doch alles Scheiße. Zu hause ist auch wieder keiner. Wozu lernt man überhaupt? Da lernt man und lernt man und bekommt doch wieder schlechte Zensuren.

Bruder kommt hereingestürzt und schmeißt seine Sachen in die Ecke.

Bruder:
Hi Schwester, haste was zu trinken? Ich hab‘ nen Mordsdurst und muß gleich wieder los.

Bruder packt sich vor den Fernseher. Schwester fällt aus allen Wolken.

Tochter:
Ach leck mich doch. Mach dir doch Deinen Scheiß selber.

Bruder:
So, so, da soll ich Mutti doch erzählen, daß du rauchst?

Sprecher:
Das kann …(Schwester) überhaupt nicht gebrauchen und holt ihm was zu trinken. Normalerweise hätte sie ihm eine geklebt aber heute hat sie keine Lust, heute ist nichts mit ihr los.

Tochter (steht in der Küche):
Was ist das für ein Leben? In ein paar Tagen ist Weihnachten und ich komme mir vor, als ob ich mit mir Ostern spiele.

Sprecher:
Es ist etwas später. …(Schwester) liest ein Buch, ihr Bruder…(Name des Bruders) ist wieder weg.

(Mutter kommt außer Atem herein und knallt ihre Tasche auf den Tisch.)

Mutter:
Puh, die Arbeit schafft mich noch mal. Naja, jetzt hab ich ja bald Ruhe.
Ach, (sie nimmt die Post) schon wieder eine Rechnung von der Versicherung.
(Blättert die Post genervt durch) Werbung, Werbung und nochmals Werbung. Und da reden die immer von Papiersparen und Umweltschutz.

Tochter:
Mmmm.

Mutter: (etwas genervt)
Was ist denn los?

Tochter:
Ach nichts.

Mutter: (sich abwendend)
Wie war es in der Schule und hast du deine Hausaufgaben gemacht? Der Abwasch ist ja auch noch nicht erledigt.

Tochter:
…(Bruder) ist dran.

Mutter:
Der arme Junge ist doch gar nicht da.

Tochter: (leise)
Du kannst mich mal.
(zur Mutter) Ja, ja ich mach das schon.
(beginnt mit dem Abwasch)

Sprecher:
Und wieder läßt sie sich herumkommandieren. Normalerweise wäre sie abgehauen, aber was ist nur mit ihr los?

(Mutter packt ihre Tasche und zieht sich an.)

Tochter:
Du Mutti?

Mutter:
Ja?

Tochter:
Kann ich Weihnachten bei meiner Freundin schlafen?

Mutter: (entsetzt)
Weihnachten, bei dir tickt es wohl nicht richtig? Da bleiben wir alle zu Hause, und außerdem kenne ich die wieder nicht. Nein Weihnachten nicht. So ich muß jetzt los. Machs gut, schlaf schön und grüße deinen Vater.

(Tür knallt zu)

Tochter: (die Zunge rausstreckend)
„…und grüß deinen Vater von mir…“ Sie kann ihm ja mal einen Brief schreiben, ist das eine Ehe…! Wer weiß, ob er heute überhaupt noch nach Hause kommt.

(Tochter ist mit dem Abwasch/ Wegräumen fertig und setzt sich wieder in ihren Sessel)

Sprecher:
Da sitzt sie nun in sich zusammengesunken und verloren in ihrer eigenen Wohnung. Sie merkt, daß sie keine Familie hat. Nein, die Leute, die in dieser Wohnung nebeneinander herleben, nein, daß ist nicht ihre Familie.

Zwischenspiel (Musik) Umräumen

Auf der Straße
Sprecher:
Tochter geht ein paar Tage vor Weihnachten noch letzte Einkäufe machen. Plötzlich sieht sie eine Kekswerbung. Da steht ein Kind mit seiner Mutter und fragt sie: „Sag wo ist Bethlehem?“ Die Mutter gibt dem Kind einen Keks.

Tochter:
Bescheuerte Werbung. (nachdenkend) Die Frage ist gut. „Sag wo ist Bethlehem?“ Irgendwo hab ich das schon mal gehört.

(Neben ihr schlagen welche einen zusammen. An der anderen Ecke klaut jemand einer alten Frau die Handtasche.)

Tochter: (zerstreut)
Nein hier ist nicht Bethlehem. In Bethlehem gibt es ein Zuhause, Geborgenheit und Wärme, oder?

Freundin:
Was ist denn mit dir los? So nachdenklich heut? Ach was ich dich noch fragen wollte, kommst du mit zur Disco?

Tochter:
Nein, ich hab keine Lust.

Freundin: (geheimnisvoll)
Aber der süße Typ ist doch wieder da.

Tochter:
Na und, wen interessiert denn das?

Freundin: (verwundert)
Na gestern hast du noch so geschwärmt, ist bei dir ne Schraube locker.
(schubst sie freundschaftlich)

Tochter:
Weißt du wo Bethlehem ist?

Freundin:
Nein tut mir leid, aber ich glaub jetzt spinnst du total.
(Freundin geht mit Kopfschütteln ab.)

(Ein Mann kommt vorbei und zählt sein Geld.)

Tochter:
Entschuldigen sie, wissen sie wo Bethlehem ist?

Mann:
Ja mein Kind, daß weiß ich genau. Ich glaube es liegt da, wo es viel Reichtum gibt. Da sind alle zufrieden, glücklich und es fehlt ihnen an nichts. (sagt sicher) Ja, da liegt Bethlehem.

Tochter: (entsetzt den Kopf schüttelnd)
Nein, daß glaub ich nicht. Das kann nicht sein. Macht Geld wirklich glücklich und zufrieden? Geld macht geizig. Nein, daß ist nicht Bethlehem. Bethlehem ist Wärme.

Mann:
Tja, dann weiß ich auch nicht weiter.

(Mann geht schulterzuckend in eine Ecke der Bühne)

(Dicke Person mit etwas zu Essen tritt auf)

Tochter:
Entschuldigen sie, wissen sie wo Bethlehem ist?

Dicke:
Ja sicher weiß ich das, ist doch ganz einfach. Ein Döner, ein Hamburger oder einen Schokoriegel, das ist doch was feines. Zu Weihnachten ist Bethlehem bei mir immer auf einer riesigen Festtagstafel mit Fleisch, Klößen, Sahnepilzen…

Tochter: (unterbricht Dicke gereizt)
Nein, daß ist auch nicht Bethlehem. Essen ist doch nicht alles. Maria und Josef hatten auch fast nichts, aber sie hatten etwas anderes, etwas ganz besonderes.

(Dicke geht in eine Ecke.)

(Älterer Mann tritt Zeitung lesend auf.)

Tochter:
Wissen sie wenigstens wo Bethlehem ist?

Älterer Mann: (von der Zeitung aufschauend)
Ja natürlich, im Finanzamt. Da bekommen se Geld und did macht och noch glücklich. Wissen se och warum?

(Tochter schüttelt den Kopf.)

Älterer Mann:
Na janz einfach: Da kofen se ihrer Frau nen paar Topflappen vom Flohmarkt, denn bezahlen se ihre Steuern und den Rest haun se mit Freunden aufn Kopp. Und dann sind se doch alle zufrieden?!

Tochter: (ungeduldig und enttäuscht)
Nein, daß ist es auch nicht. Das ist wieder nur Geld, Gier und Kälte.

(Eitle Frau mit Stöckelschuhen und mit einem Diätjoghurt tritt auf.)

Tochter: (entmutigt und zutiefst enttäuscht)
Können Sie mir denn nun sagen wo Bethlehem ist?

Frau: (abweisend)
Bethlehem, nein tut mir leid. Für mich ist das einzige was zählt meine gute Figur und mein Aussehen. Bethlehem erinnert mich nur an Weihnachten und das ist für mich ein Schreckenstag. Erstens muß man für Geschenke Geld ausgeben und zweitens gibt es da soviel zu Essen und das schadet mir nur.

Tochter: (verzweifelt)
Nein, nein, nein, sie kennt es auch nicht. Ich glaube ich werde es nie finden.

(Alle zusammen): Aber sag wo liegt denn nun Bethlehem?

Mann:
Nicht im Reichtum?

Dicke:
Nicht im Essen?

Älterer Mann:
Nicht im Finanzamt?

Eitle Frau:
Nicht in der Schönheit?

Tochter:
Aber wo dann?

Sprecher tritt vor:
Na daß ist doch ganz einfach. In Bethlehem wurde Jesus geboren. Kennt ihr die Geschichte nicht? Kennt ihr nicht die Geschichte von der Heiligen Nacht?

Mann: (tritt vor und legt sein Geld in den Papierkorb)
Ist das nicht die Geschichte mit Maria, der ein Engel erschienen ist, ein Bote Gottes, welcher ihr verkündete, sie werde ein Kind gebären und es wird Jesus heißen?

Dicke: (tritt vor und legt ihr Essen in den Papierkorb)
Und ist das nicht die Geschichte mit Josef, dem Zimmermann, der mit Maria nach Bethlehem zur großen Volkszählung zieht? Hatten sie nicht einen treuen Esel dabei?

Älterer Mann: (tritt vor und legt seine Zeitung in den Papierkorb)
Die heilige Nacht? Das ist doch die Nacht, wo Jesus in einem Stall geboren wird. In Tücher gewickelt und in einer Krippe liegend?

Besser-Wessi (tritt vor und legt seinen Börsenbericht in den Papierkorb):
Und in dieser Nacht erschien doch den einfachen Hirten auf der Weide, und nicht den Reichen und Mächtigen, der Engel der ihnen verkündete, daß IHNEN der Heiland geboren ist. So gingen sie hin zur Krippe, in Betlehem, und beteten ihn an.

Eitle Frau (tritt vor und stellt ihren Diätjoghurt in den Papierkorb):
Aber euch drei heilige Könige kamen, durch einen hellen Stern geleitet. Sie brachten ihm zum Zeichen der Anerkennung Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Tochter (tritt vor):
Jetzt weiß ich wo Bethlehem ist. Jetzt weiß ich was es bedeutet, wenn einer sagt: “ DA ist Bethlehem “ . Der Heiland gibt uns Kraft, Geborgenheit und Wärme. Und Weihnachten hat auch Zeichen, zum Beispiel diesen Stern. (zeigt einen Stern)
Er zeigt uns den Weg zum Heiland. Von ihm werden wir zu Weihnachten nach Bethlehem geführt.

Besser-Wessi (hält eine brennende Kerze):
Und hier die Kerze. Sie gibt uns Licht Wärme und Geborgenheit. Ohne sie wäre es kalt und leer.

Älterer Mann: (hält einen Tannenzweig)
Auch die einfachen grünen Tannenzweige gehören dazu. Das warme Grün gibt uns Hoffnung.

Dicke: (stellt eine Krippe hin; die anderen können ihre Sachen hineinlegen):
Und die Krippe soll uns an Jesus, Bethlehem und die Weihnachtsgeschichte erinnern. Sie soll immer von der kleinen armen Familie im warmen Stall erzählen.

Reicher Mann: (hält einen Engel)
Der Engel steht für den Boten Gottes, als Verkünder des Heilands.

Eitle Frau: (hält eine Glocke)
Die Glocken läuten zu Christi Geburt.

Tochter:
Nun habe ich es endlich gefunden. Und ich muß sagen, es gefällt mir. Jetzt kann ich nach Hause gehen und sie weitererzählen. Vielleicht wollen ja noch mehr Menschen da draußen Bethlehem finden.